Zu den Kernaufgaben der Museen gehört nach Eigendefinition neben dem Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Vermitteln selbstverständlich auch das Forschen. Dies betrifft sowohl die Forschung zur eigenen Sammlung als auch zum Kontext. Die Friedenstein Stiftung Gotha arbeitet hier national und international mit verschiedenen Forschungseinrichtungen zusammen und steht so in einem stetigen Austausch. Die Ergebnisse der Forschung werden dann nicht nur über Kataloge und das Internet internationalen Experten zur Verfügung gestellt, sondern es ist uns allen ein großes Anliegen, diese auch an ein Laienpublikum zu vermitteln.

 

Die Erforschung eines sensiblen Sammlungsbestands 

Die Stiftung freut sich sehr, dass das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ihren Antrag für das Projekt „Provenienz und Geschichte der Sammlung indonesischer Schädel der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha“ bewilligt hat.

Das Forschungsprojekt wird die Herkunft von 30 menschlichen Schädeln erforschen, die seit den 1860er Jahren in der herzoglichen Sammlung im thüringischen Gotha nachgewiesen sind (zwischen 1862 und 1880 kamen sie in die Sammlung). Die Schädel stammen aus dem heutigen Indonesien, sind von mehreren Reisenden mitgebracht worden und als Schenkungen in die Gothaer Sammlung gelangt. Die Provenienz der Schädel soll in Zusammenarbeit mit Historikern, Anthropologen und traditionellen Interessensvertretern aus dem Herkunftsgebiet erforscht werden.

Die Forschungsarbeit wird sich auf die Akteure hinter diesem Depotfund konzentrieren. Wer waren die Menschen, denen die Schädel einst gehörten? Wie haben sie gelebt, weshalb und wie sind sie gestorben? Wie sind ihre Knochen in die Hände der Europäer gelangt? Und wer waren die Personen, die diese menschlichen Überreste nach Gotha brachten? Welche Rolle spielten Deutsche in niederländischen Kolonialkriegen? Darüber hinaus wird es um eine Bewertung der Geschichte gehen: War das Vorgehen im 19. Jahrhundert legal? Und heute? Was wäre ein angemessener Umgang mit diesem heiklen Museumsgut?

Kooperationspartner ist das Institut für Dayakforschung-21 in Palangka Raya/Indonesien. Als wichtiges Bindeglied zwischen den Kulturen und Kenner der Geschichte und Sprache Indonesiens wird der Ethnologe Adrian Linder M.A. fungieren. Er ist assoziierter Forscher am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern.

Der Friedenstein Stiftung Gotha ist ein transparenter und proaktiver Umgang mit dem brisanten Bestand wichtig. Der gesamte Forschungsprozess soll deshalb kontinuierlich kommuniziert werden, um eine Bewusstseinsbildung über den Umgang mit kolonialem und lokalem Kulturerbe anzuregen und zu fördern. Die Museumspädagogin und Kulturwissenschaftlerin Dr. Claudia Klein wird die Vermittlungs- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.

 

Kooperationsprojekt: „Öffnen von Wissenschaft: Neue Wege des Wissenstransfers am Beispiel des Forschungsprojekts BROMACKER“

Mit dem Projekt BROMACKER startet eine neuartige, wissenschaftliche Kooperation an der weltweit einzigartigen Fossillagerstätte „Bromacker“, mitten im Herzen Deutschlands, im Thüringer Wald. Nach mehr als einem Jahrzehnt gibt es dort erstmals wieder systematische Ausgrabungen und geologische Bohrungen. Aber nicht nur das: Das Ziel der Kooperation ist es, anhand der Fossillagerstätte „Bromacker“ Forschung und Wissensvermittlung so miteinander zu verzahnen, dass die Öffentlichkeit ein Fenster zur frühen Evolution der Landwirbeltiere bekommt. In den kommenden Jahren arbeiten hierfür das Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, die Friedenstein Stiftung Gotha, die Friedrich-Schiller-Universität in Jena und der UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen zusammen. Das deutschlandweit einzigartige Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Die Bedeutung der Fossillagerstätte „Bromacker“ für die Dokumentation der frühen Evolution von Wirbeltieren an Land ist in ihrem Stellenwert mit anderen herausragenden Fundstellen in Deutschland vergleichbar, wie zum Beispiel dem UNESCO-Weltnaturerbe Grube Messel und den weltweit bekannten Fundstellen in Holzmaden und Solnhofen.

Ansprechpartner: Dr. Tom Hübner

 

Zur Geschichte des Gothaer Kupferstichkabinetts

Die hervorragende Quellenlage zu den Sammlungen der Gothaer Herzöge ermöglicht es, dass wir die jeweilige Sammeltätigkeit zu unterschiedlichen Zeiten sehr genau nachvollziehen können. Die Objekte selbst, die Inventare und dazugehörige Archivalien fungieren in gewissem Sinne als Zeitkapseln, in denen sich das Wissen über Jahrhunderte bewahrt hat. Auch für das Kupferstichkabinett gelingt es, in der Zusammenschau von Graphiken und das Kabinett betreffende Quellen, der Sammelpraxis der einzelnen Herzöge nachzugehen und ihre spezifischen Vorlieben herauszuarbeiten, in Teilen sogar ihre Graphiksammlungen vom 17. bis 19. Jahrhundert zu rekonstruieren. Denn mit der 1851 einsetzten Auflösung der über Jahrhunderte erhaltenen Sammel- und Klebebände wurde die Sichtbarkeit der einzelnen herzoglichen Sammler eigentlich zerstört.

Neue Recherchen brachten jedoch die Erkenntnis, dass einige intakt gebliebene Klebe- und Sammelbände aus dem frühen Kupferstichbestand nach 1851 in die Forschungsbibliothek verbracht wurden und einzelne Bände des frühen Bestandes aufgrund von nun deutbaren Notizen auf den Blättern vollständig oder in Teilen rekonstruierbar sind. Zusammen mit den im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Gotha noch nicht gehobenen Ansichts- und Ankaufslisten von Drucken lassen sich so die Sammeltätigkeiten der Herzöge nachvollziehen und Ordnungsstrukturen des 17. bis 19. Jahrhunderts wieder sichtbar machen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes fließen in analoge und virtuelle Ausstellungen mit begleitender Publikation zur Geschichte des Gothaer Kupferstichkabinettes. Ziel ist die (Teil-)Rekonstruktion des Kabinettes zu ausgewählten Zeitpunkten vom 17. bis 20. Jahrhundert.

Ansprechpartnerin: Ulrike Eydinger

 

Editionsprojekt Historische Kunstkammerinventare

Den Kernbestand der Sammlungen der Friedenstein Stiftung Gotha bildet die barocke Kunstkammer. Sie lässt sich anhand der erhaltenen Inventare und der noch vorhandenen Objekte aus Kunst, Technik und Natur gut rekonstruieren. Auch die dokumentierten Verluste aus den Bereichen Gemälde und Kunsthandwerk tragen zur Rekonstruktion bei. Als Grundlage des Editionsprojektes werden die Transkriptionen der historischen Kunstkammerinventare von 1657, 1717 und 1764 erarbeitet. Diese sollen dann zusammen mit einem Bestandskatalog der identifizierten Objekte veröffentlicht werden. Durch diese Erschließung des Kunstkammerbestandes lässt sich beispielsweise sein Wandel in Funktion und Aufstellung nachvollziehen. Damit wird die Gothaer Kunstkammer der Forschung für verschiedene – insbesondere sammlungsspezifische – Fragestellungen zur Verfügung stehen.  

Das Projekt ist abgeschlossen und wurde gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung.